SPD Neckarau, Almenhof & Niederfeld

„Mannemer Dreck“ für Andrea Ypsilanti

Veröffentlicht am 10.10.2012 in Presseecho

Musikalische Programm von Bernd Köhler & Blandine Bonjour

Neckarau: SPD-Ortsverein feiert sein 120-jähriges Bestehen / Hessische Politikerin als Festrednerin

Von unserem Redaktionsmitglied Konstantin Groß

Sie hat alles erlebt, ja überlebt, die gute alte SPD: zwei Weltkriege und drei verschiedene politische Systeme, die Verfolgung durch den Kaiser und sogar die Nazis. Nächstes Jahr feiert sie 150. Geburtstag. Die Neckarauer Genossen sind nicht ganz so alt, aber immerhin 120 - Grund genug, um ausgiebig zu feiern.

Und dies geschieht an traditionsreichem Ort: im Volkshaus. Sein Saal ist besetzt mit allen wichtigen Repräsentanten der Partei und örtlicher Vereine. Aber auch die politischen Mitbewerber erweisen mit Gabriele Thirion-Brenneisen (Grüne) und Wolfgang Taubert (CDU) ihre Ehre.

Bereits die Begrüßungsrede des Vorsitzenden Mathias Kohler macht deutlich, dass man vor allem zukunftsbezogen feiern will. Die Verfolgung der SPD im Dritten Reich etwa bleibe Auftrag, auch heute Nazis entgegenzutreten, wie dies etwa am 1. Mai in Neckarau geschehen sei. "Solange es in unserer Gesellschaft und auf unserem Planeten Ungerechtigkeit gibt, wird die Sozialdemokratie gebraucht."

Nach vorne gerichtet

In die Zukunft blickt auch die von Ex-SWR-Journalist Veit Lennartz moderierte Talkrunde mit den SPD-Mandatsträgern. Wo wird die Partei in 40 Jahren stehen?, lautet eine der Fragen. "Sie wird europäischer sein und vielleicht ein Landesverband der Sozialdemokratischen Partei Europas", hofft zum Beispiel Kreisvorsitzender Wolfgang Katzmarek.
Für die Festrede hat sich der Vorstand einen besonderen Gast ausgesucht: Andrea Ypsilanti. Da war doch was? Ja, richtig: Sie war die hessische Spitzenkandidatin, die vor der Landtagswahl 2008 verspricht, auf keinen Fall mit der Linkspartei zu gehen, es danach aber doch versucht, damit an vier Abgeordneten der eigenen Fraktion scheitert und im politischen Aus landet. Klar, dass bei der Nachricht von der Einladung an sie "ein Raunen durch die Öffentlichkeit ging", wie Kohler einräumt: "Aber der Vorstand hat es einstimmig beschlossen", schmunzelt er.

Balsam für die Seele

Die Erwartungen, die mit ihrer Verpflichtung verbunden sind, enttäuscht die Rednerin nicht. Nach ehrendem Blick auf die, die seit 120 Jahren in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich für die SPD ehrenamtlich engagieren, dies teilweise mit dem Leben bezahlt haben, folgt die Postulierung eines Programms, das wahres Balsam ist für die sozialdemokratische Seele.

Ypsilanti konstatiert eine Krise des Systems, nicht nur ökologisch und ökonomisch, sondern auch politisch und sogar juristisch. Wo etwa bleibe Gerechtigkeit, wenn Banker Milliarden fremder Gelder verzocken könnten, die Kassiererin jedoch ihre Existenzgrundlage verliert, wenn sie einen Bon einbehält?

Die aktuelle Rentendiskussion auch in ihrer Partei verfolgt Ypsilanti mit Unverständnis: "Wenn wir diskutieren, ob 43 oder 50 Prozent Rentenniveau, dann müssen wir doch fragen: 43 oder 50 Prozent wovon?" Mit 43 Prozent von einem Supereinkommen könne man gut leben; bei einem Stundenlohn von sieben Euro reichten aber auch 70 Prozent Rente nicht aus: "Wir produzieren heute schon die Altersarmut von morgen."

"Ein Prozent der Bevölkerung besitzt 23 Prozent des Volksvermögens", erinnert die Rednerin und fordert daher eine "Umverteilung"; und sie benennt auch die Instrumente dafür: Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Reichensteuer. Denn sie zeigt sich überzeugt: "Für eine solche Politik haben wir die Mehrheit der Menschen auf unserer Seite."

Hier im Saal auf jeden Fall. Tosender Applaus auch von jenen, die ihr auf Grund der Vorgänge von 2008 skeptisch gegenüber stehen, schlägt ihr entgegen. Mathias Kohler entlässt sie mit einer Schachtel "Mannemer Dreck" und einer CD des preisgekrönten Films "Transnationalmannschaft" des Mannheimers Philipp Kohl, der die Kunde von der Weltoffenheit dieser Stadt in die gesamte Republik getragen hat.

Musikalisches Rahmenprogramm


Das alles wird umrahmt von Bernd Köhler und Blandine Bonjour. Ihre wunderbaren Stimmen intonieren kämpferische Lieder aus dem 19. Jahrhundert, in denen in der Diktion der Zeit viel von "Sklaverei" und "letztem Gefecht" die Rede ist, aber auch die Internationale, die von ihrer Schönheit auch dadurch nichts verloren hat, dass sie von Tyrannen missbraucht wurde, schließlich die SPD-Parteihymne "Wann wir schreiten Seit an Seit".

Dr. Volker Schanz-Biesgen macht Appetit auf die von ihm verfasste schriftliche Chronik, die demnächst als Buch erscheinen soll, bevor - apropos Appetit - nach drei Stunden Programm das Buffet Gelegenheit zum persönlichen Gespräch bietet.

© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 10.10.2012

 

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